26. Mai 2015: „Wie ich als Schüler und Bauer durch die Kulturrevolution kam …“

Geschrieben von dczl.de am in Themenabende

Themenabend im Asia Restaurant Goldene Krone, Wolfgang-Heinze-Str. 39, 04277 Leipzig (Connewitz)

Die Kulturrevolution in China begann 1966, im Mai erschienen erste Wandzeitungen, erste Rote Garden traten an der Qinghua-Universität auf; im August 1966 veröffentlichte Mao „Meine Wandzeitung“. Dr. Beng-Yin Zhu formulierte in diesem Zusammenhang etwas provokativ: „Bis 1957 war Mao vernünftig, dann wurde er zum Spinner.“ Er illustrierte seine Meinung mit detaillierten und fundierten Fakten und eigenen Erlebnissen aus jenen Jahren.

„Das Kulturleben und die höhere Bildung kamen fast völlig zum Erliegen. Die Universitäten hielten von 1966 bis 1978 keinen normalen Bildungsbetrieb ab. Wichtiger als die Wissensvermittlung war, die Entstehung einer neuen Bildungsschicht zu vermeiden und Klassenkampf zu propagieren.“

Folge dessen war, dass die reguläre Schulzeit von 12 auf 8,5 Jahre reduziert wurde. Der junge Zhu erlebte seine Schulzeit von 1966 bis 1975; es schlossen sich insgesamt drei Jahre auf dem Lande an. In Einzelfällen konnte sich dieser Landaufenthalt durchaus auf 20 Jahre ausdehnen. „Ende 1968 rief Mao Zedong die intellektuelle Jugend dazu auf, ‘in die weite Welt hinauszugehen’. Zehn Millionen Mittelschüler wurden aufs Land geschickt, um ‘von den Bauern zu lernen’.“ Beng-Yin Zhu erhielt dabei stärkeren Einblick in das chinesische Alltagsleben, in dem trotz Sozialismus weiter verschiedene Klassen von Menschen existierten.

2. Lehrziele drastisch reduziert

Schulabschlussziel für die Mathematik:

ax + by = c (ohne x² )

Keine Chemie

Keine Bio -Wissenschaften

Physik nur Grundstufe (ohne Optik)

Im Schulleben erfuhren Politikunterricht und Sport große Aufmerksamkeit. Andere Lehrinhalte wurden dagegen drastisch reduziert – keine Chemie, keine Biologie, einfache Mathematik, Physik nur auf Grundstufenniveau. Ältere Schüler wurden als Ersatzlehrer in unteren Klassen eingesetzt. Zhu selbst unterrichtete Englisch in seiner Klassenstufe – er lernte Englisch schon außerhalb der Schule auf Druck seines Vaters – sowie Mathematik eine Klasse niedriger.

Vier Organisationen regierten auf allen Ebenen mit: Gewerkschaft, Frauenverband, Jugendorganisation und Rote Garden. Auch der junge Zhu war in letzteren als Funktionär aktiv, was ihm  relative Bewegungs- und Handlungsfreiheit sicherte.

In seinen Jahren auf dem Land gewann Zhu „große Lebenserfahrung“; er trug mit seinen Ideen und deren Umsetzung entscheidend zur Verbesserung der Lage in dem Dorf bei. So krempelte er die Hühnerzucht um, indem er u. a. die Futterrezepturen veränderte. Er trug zur Mechanisierung der Reispflanzung bei und erreichte eine deutliche Steigerung des Dorfeinkommens aus dem Reis- und Baumwolleanbau.

Was sagt er rückblickend zur Kulturrevolution? „Eine menschliche Katastrophe, schlimmer als 50 Jahre Bürgerkrieg, deren Auswirkungen bis heute spürbar sind. In der Wirtschaft hat sie weniger Schaden angerichtet, das war ohnedies Planwirtschaft.“

Im September 1976 starb Mao, ein Jahr später wurde das Ende der Kulturrevolution offiziell verkündet. Im Oktober 1977 wurde die Wiederaufnahme des Hochschulbetriebs angekündigt. Beng-Yin Zhu absolvierte im Dezember 1977 seine Aufnahmeprüfung und begann im Februar 1978 zu studieren.